An Federico Garcia Lorca
Ich vermisse das Leben. Draußen wölbt sich ein graugelber Himmel über der Stadt. Ich bin ein wenig verzweifelt, versuche zu lesen. Wörter brechen ein in die Stille, wie Schüsse. Der Nebel in meiner Brust weicht einer brutalen Sonne mit scheuem Antlitz.
O Federico, du andalusischer Held, Verfechter der Männerliebe! Flüchtiger, Denkender, Fühlender! Geleite mich durch diesen einsamen Tag! Trage mich auf deinem braunen Rücken durch die Ruinen des Daseins, das mir geblieben ist. Deine Worte fallen wie Tropfen roten Weins auf den Untergrund meiner Seele, sie zerreißen den tristen Vorhang meines Herzens. Mein Sein liegt offen da, wie ein Buch, eine Wunde, Buchstaben aus Blut formen die Glieder deiner Sätze.
Ich lese dich am Tag und bei Nacht. Ich halte Ausschau nach dir in den andalusischen Dörfern, den braunen Landstraßen, den kleinen, geduckten Häusern, die sich unter einem kargen Mond in den Himmel erheben. Auf deinen Spuren will ich mich bewegen, ein wenig mit dir schweben, himmelwärts, immerzu auf der Suche nach der unerwarteten Liebe.
Im Morgengrauen sind sie gekommen, dich zu holen, Federico, die uniformierten Männer der Guardia Civil, die faschistischen Schweine. Ihnen waren Liebe und Gnade unbekannt, sie standen allein im Dienste des Todes, sie gehorchten blind. In den andalusischen Dörfern Viznar und Alfacar strömte der Atem der Mörder in den grüngrauen Himmel. Die Sonne ging gerade auf, eine furchtbar gelbe Sonne, ein furchtbares Licht, das seine Schlieren auf Pinienwälder und Olivenhaine warf. Zerklüftet lag das Gebirge, reglos war die Luft an diesem Morgen im August.
Sie schauten dir nicht in die Augen, als sie es taten, die feigen Schergen. Sie zielten blind auf deinen Hinterleib, geblendet vom Hass. Die Blätter der Bäume kräuselten sich, als hätten sie Angst und das Blut strömte aus deinem verwundeten Körper. Irgendwo Hundegebell, Kommandogeschrei, dann kam der Tod.
Am Wegesrand der Landstraße zwischen Viznar und Alfacar verscharrte man deinen Körper und deine Gebeine, als wärst du ein Hund gewesen.
O geliebter Federico! Ich bin verloren. Es gibt keine Ewigkeit, weder für dich, Federico, noch für mich. Doch eins bitte ich dich, geleite mich mit deinen Versen durch diesen fürchterlich einsamen Tag.