Unzulänglich
Dass ich leben muss, gefesselt an meine Unzulänglichkeiten, meine Scham, ist eine Zumutung. Ich wäre gern ein grundguter Mensch, doch da ist ein Schwergewicht, etwas, dass alles nach unten zieht. Ich bin irritiert von der Welt und vom Leben. Es gibt zu viele Fragen und ich bin kaum in der Lage, Antworten zu finden. Die Leute fordern Klarheit, doch ich finde sie nicht. Ich würde gerne auf der richtigen Seite stehen, doch ich weiß in Wahrheit mit meinen Standpunkten nichts anzufangen. Sie erscheinen mir austauschbar, willkürlich getroffene Unterscheidungen in der grauen amorphen Masse der Wirklichkeit. Da ich nicht weiß, wie ich weiter verfahren soll, spiele ich auf Zeit. Ich sage, in einem Jahr werde ich über diese oder jene Unannehmlichkeit hinweggekommen sein.
Vielleicht bin ich sozial etwas zurückgeblieben, vielleicht bin ich einfach nur zu sehr prätentiös und verlange zu viel, von mir, von der Welt und meinen Mitmenschen.
Ich bin mir selbst ein Graus und ich weiß kaum, wie es mir jeden Tag von neuem gelingt, mit mir selbst klarzukommen. Ich stehe vor dem Spiegel und verziehe meine Gesichtszüge zu einer Grimasse. Alles ist lächerlich. Also beginne ich wieder vor vorne. Der Spiegel lügt auf seine Weise, er ist ein großer Lügner. In meinem Leben bleibt die Wahrheit wieder einmal auf der Strecke.