Vernunft

 

Die Vernunft ist im menschlichen Dasein ein selten gesehener Gast. Vielmehr speist sich das Verhalten der Menschen aus dem unendlichen Speicher von Traum und Unbewusstem. Vernunft würde voraussetzen, dass wir uns Ziele setzen könnten, die wir dann nach einer Art Plan und vermittels strategischem Handeln erreichen könnten. Doch dem ist nur in seltenen Fällen so. Zumeist ist das Bewusstsein getrübt von unseren aufdringlichen Leidenschaften und anderen überbordenden Gefühlswallungen, die uns ein und dieselbe Angelegenheit unterschiedlich bewerten lassen, ganz nach unseren Lüsten und unseren Launen. Es ist dies der Grund dafür, dass es in unserem Leben keinen Gleichmut und keine Konstanz gibt, stattdessen sind wir stets Getriebene von unseren Gefühlsausdünstungen. Empfinden wir Glück, so wollen wir es halten, doch in Wirklichkeit ist es ephemer und entschlüpft uns sogleich wieder. Auch das Unglück ist seinerseits zwar hartnäckiger doch nur selten von Dauer. Ohne es zu begreifen, verliert es seine Kraft, mit der es uns nach unten zieht und weicht wiederum einem Gefühl der Leichtigkeit. So ist das Leben ein Auf- und Ab, ein Hin- und Her, ein ruheloses Treiben, dem wir nicht entrinnen können und dem erst der Tod Einhalt gebieten kann.