Die Linken und das Böse

 

Dieser Tag neigt sich dem Ende zu und er lässt mich zurück, voll mit Schwermut. Langsam kippe ich in die Verzweiflung, allmählich ist mir alles egal. Ich habe Gedanken, sie kreisen um Politisches. Die Linken haben es sich bisher versagt, sich mit dem Bösen im Menschen auseinanderzusetzen. Sie haben ein naives, kindliches Menschenbild, ähnlich jenem Menschenbild, das Rousseau vom „edlen Wilden“ entworfen hat. Der Mensch, so wie er sich uns heute präsentiert ist jedoch weder edel, noch wild. Er ist gefangen in seiner Mittelmäßigkeit und zertrümmert ist seine Seele von den Verstrickungen in die fortschreitende Entwicklung der Zivilisation. Der moderne Mensch leidet unweigerlich. Und er ist auch ein klein wenig böse. Die Verhältnisse haben ihn domestiziert und die einzige Gewähr, dass das Böse aus ihm nicht auf überschießende Weise hervorbricht, ist eben der Umstand, ihn weiterhin domestiziert zu halten, wenn auch auf halbwegs menschliche Weise. Sicher ist der Mensch auch gut, doch seine Gutheit beschränkt sich auf das Funktionieren in sozialen Zusammenhängen. Der Mensch erfüllt seine Pflichten, er erhält seine Belohnungen und beißt niemals die Hand, die ihn füttert. Er ist, davon bin ich überzeugt, nicht für das Ideal, wie es den Linken vorschwebt, geschaffen. Alle linken Utopien, angefangen von der Sowjetunion über Kuba bis zu den sozialrevolutionären Kommunen eines Otto Mühl, sind auf tragische und zugleich tollpatschige Art und Weise gescheitert, weil sie das Böse im Menschen nicht einkalkuliert haben. Der Wille zur Macht ist omnipräsent und ihm ist durch nichts beizukommen. Die Menschen wollen ihre politische, ihre wirtschaftliche und ihre sexuelle Potenz ausleben und bis zum Höchsten ausreizen, weshalb sie die Gleichheit der Menschen nicht aushalten. Es gibt immer einen, der talentierter ist, und der sich aus seinen individuellen Vorzügen heraus über die anderen erhebt. Diesen Umstand zu leugnen wäre widernatürlich. Damit unsere Gesellschaft nicht in einen Kampf aller gegen alle ausartet, ist eine Begrenzung des Guten sowie des Bösen notwendig. Das überschießende Gute wendet sich nämlich zu oft in sein Gegenteil, wie man es in den sozialistischen Ländern auf allen irdischen Kontinenten beobachten hat können und nach wie vor beobachten kann. Der Mensch muss angeleitet werden, aus sich selbst heraus etwas zu schaffen, das ihm Sinn und Zuversicht verleiht. Dafür müssen wir uns von einer Gesellschaftsform der radikalen Gleichheit verabschieden, um doch noch eine Gesellschaftsform der relativen Freiheit zu erreichen. Die Gesellschaft kann dem einzelnen nur relative Freiheit versprechen, da die Leute in unterschiedlichen Schattierungen frei sein wollen. Manche sind stark und streben nach voller Freiheit, andere sind schwach und streben nach Ein- und Unterordnung. Die menschliche Natur ist geschaffen für eine konservativ-sozialdemokratische Ordnung, in der den Starken nicht zu viel Raum gegeben wird, in der jedoch gleichsam die Schwachen nicht unter die Räder kommen. Entscheidend dabei ist nun mal der naturgegeben Umstand, dass die Menschen NICHT alle gleich sind, dass sie auch nicht von Natur aus allesamt GUT sind und dass die Ordnung nur auf einem Mindestmaß an Zwang geordnet werden kann.