Absolution

 

Man wird zu einer Person mit Eigenschaften, die man verabscheut, die einen abstoßen. Man hat den ontogenetischen Prozess der Selbstwerdung nicht im Griff, alles entgleitet. Man wird, was man nicht sein will. Man will sein, was man nicht ist. Es gibt kein Entrinnen. Die Anzeichen einer inwendigen Katastrophe mehren sich.

Ich bin sprachlos, und habe Angst, unter die Menschen zu gehen. In meinem Leben ereignet sich absolut nichts, das berichtenswert erscheint. Seit Monaten schon ziehe ich mich zurück. All das geschieht gegen meinen Willen. Es scheint so, als hätte sich das Schicksal gegen mich verbündet, als liefe alles auf die letzte Schlacht hinaus. Ich erwarte mein persönliches Waterloo.

Oftmals verbringe ich Wochen ohne einen wirklichen menschlichen Kontakt. Das Leben wird dann ziemlich unwirklich. Sicher, da sind die realen Dinge, die mich umgeben, das Glucksen der Kaffeemaschine, das Knistern des Feuerzeugs beim Anzünden der Zigarette, das Rattern des CPUs beim Hochfahren meines Rechners.

Die Menschen wollen sich ihre Unabhängigkeit bewahren, weshalb sie fleißig lernen, ihre Bedürftigkeit geheim zu halten. Für mich dagegen ist es unheimlich schwer, mich an meine Einsamkeit zu gewöhnen. Sie stellt die Basis meiner Krankheit dar.

Heute, im stahlblauen Licht der Dämmerung, versuche ich erneut, mit mir selbst ins Reine zu kommen. Ich strebe die Vergebung der Sünden an, ich benötige Absolution. Die Zeit kriecht wie ein Wurm unter meine Haut. Bald ist die Welt gänzlich in das Schwarz der Dunkelheit getaucht und in meiner Seele erwacht die jähe Sehnsucht nach Heilung. Heilung von all den Irrtümern, in die ich mich verstrickt habe, von all den Wunden, die ich mir selbst beim Versuch zu leben, zugefügt habe. Heilung von der Zerrissenheit, die mich von innen her zerfrisst.

Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, doch sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund!